Heimatkreis Braunau / Sudetenland e.V.

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Zweiter Weltkrieg

Aufmarsch deutscher Truppen

Deutsche Truppen auf dem Ringplatz, Oktober 1938 (Fotos privat)

Braunau 1938 -1945 – Sudetenkrise, Anschluss an das Deutsche Reich und II. Weltkrieg

Die späten 30er Jahre sind von einer zunehmenden politischen Radikalisierung geprägt. Die deutsche Bevölkerung in der Tschechoslowakei fühlte sich als nationale Minderheit in der ČSR benachteiligt und litt unter einer hohen Arbeitslosigkeit, die soziale Not nach sich zog. Im Spätsommer 1933 hatten sich die Deutsche Nationalpartei und die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei, die eine politische Mitwirkung im tschechoslowakischen Staat ablehnten, aufgelöst, da ein Verbot durch die Prager Regierung bevorstand. Den im Parlament verbleibenden deutschen Parteien, denen die frei gewordenen Mandate zugesprochen wurden, gelang es nicht, deren Wähler an sich zu binden und das dadurch entstandene Vakuum zu füllen. Das erwies sich als vorteilhaft für die Entstehung der Sudetendeutschen Heimatfront (SHF), die als politische Sammlungsbewegung von Konrad Henlein, sudetendeutscher Verbandsturnwart aus Asch, im Oktober 1933 gegründet wurde. Schnell gewann die neue Partei die Sympathien vieler Sudetendeutschen, die sich in ihr eine gebündelte politische Kraft in ihrem „Volkstumskampf“ versprachen. Henlein forderte zunächst, dass die Tschechoslowakei dem Versprechen ihres Staatsgründers Beneš nachkomme, den Staat „wie eine zweite Schweiz“ aufzubauen, in dem alle Volksgruppen eine weitreichende Autonomie zugestanden werden sollte. 

Vor den Parlamentswahlen 1935 entbrannte ein Wahlkampf mit einer bisher im Braunauer Land nicht gekannten Propaganda vor allem durch die Sozialdemokraten, den Bund der Landwirte und die jetzt umbenannte Sudetendeutsche Partei Henleins (SdP). Diese wurde in der Folge die nach Stimmen stärkste Partei, erhielt aber im Prager Parlament dennoch einen Sitz weniger als die tschechischen Agrarier und wurde nicht zur Regierungsbildung aufgefordert oder daran beteiligt, obwohl sie dazu bereit war. Die SdP errang 44 von insgesamt 300 Sitzen im Abgeordnetenhaus und 23 im Senat, das entsprach in den Sudetengebieten 68 Prozent der Wählerstimmen. Im Braunauer und Wekelsdorfer Bezirk gestaltete sich die Stimmabgabe für das Abgeordnetenhaus wie folgt: 2934 (SdP), 67 (BdL), 460 (CSP), 351 (SozD), 227 (Komm) und 468 (tschechische Parteien). 

Auf tschechischer Seite wurde die Nationalitätenfrage durch den im Dezember 1935 zum Staatspräsidenten gewählten Edvard Beneš, einen strengen Vertreter des Nationalstaatsprinzips, noch verschärft. Die als „Jungaktivisten“ bezeichneten sudetendeutschen Politiker Wenzel Jaksch von den Sozialdemokraten, der christlich-soziale Hans Schütz und Gustav Hacker vom Bund der Landwirte versuchten trotz Verständnis bei einigen tschechischen Politikern vergeblich einen Ausgleich. Die angespannte Stimmung lässt sich daran erkennen, dass die Staatsregierung begann, Befestigungsanlagen zu bauen, die außerhalb des Kreis Braunau lagen. Durch das sogenannte Staatsverteidigungsgesetz von 1936 kam es zur Verweigerung von Reisepässen, Verhören, Zensur und Kontrollen, insbesondere der Parteiversammlungen der SdP. Die Mitgliederzahlen der SdP nahmen dadurch jedoch eher zu. Die Forderungen der SdP nach Gleichberechtigung aller Volksgruppen und Selbstverwaltung führten 1937 zu 6 Gesetzesentwürfen. Ministerpräsident Dr. Hodža verhandelte jedoch nur mit den Vertretern der „Jungaktivisten“ und schloss die SdP aus. Auch die nationalistischen tschechischen Kreise verweigerten sich einem „Volksschutzgesetz“, das vielleicht eine innerstaatliche Lösung hätte bringen können.

Ab etwa 1937 trat die Entwicklung in eine neue Phase, da Wortführer der SdP zunehmend eine stärkere Bindung der sudetendeutschen Politik an das Deutsche Reich propagierten. Dabei muss zwischen denjenigen unterschieden werden, die sich lediglich Unterstützung bei einer Autonomielösung erwarteten, und denen, die einen Anschluss an das Deutsche Reich erstrebten, wie er für Österreich im März 1938 durch die Nationalsozialisten realisiert wurde. In dieser Zeit hatten sich die sudetendeutschen bürgerlichen Parteien nach einer Aufforderung Henleins aufgelöst und gliederten sich der SdP ein, wodurch sie zur stärksten Partei in der ČSR wurde. Nach einer Unterredung mit Hitler verkündete Henlein am 24. April 1938 das Karlsbader Programm mit Forderungen nach weitgehenden Autonomierechten für die deutsche Minderheit, einschließlich eines eigenen Verwaltungsapparates, was von der Prager Regierung öffentlich abgelehnt wurde. Das Ausland, besonders Großbritannien, hatte erst nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 vor allem durch den großen Wahlerfolg der SdP begonnen, auf die Situation in der ČSR aufmerksam zu werden. Großbritannien ergriff diplomatische Initiativen in Prag und Berlin, um Beneš im Rahmen der alliierten Appeasement-Politik zum Nachgeben zu bewegen.

Im Mai 1938 spitzte sich die Sudetenkrise gefährlich zu, als die tschechoslowakische Regierung eine Teilmobilisierung ihrer Streitkräfte nach vermeintlichen deutschen Truppenbewegungen an der tschechoslowakischen Grenze veranlasste. Im Braunauer Land wurde die Staatsgrenze durch den Grenzschutz und die Nationalgarde besetzt, was die Bevölkerung schockierte. Die Tschechen flüchteten ins Landesinnere, es kam zu Verhaftungen junger Sudetendeutscher, die teilweise ins Reich flüchteten. Die Einschüchterung verfehlte jedoch ihr Ziel. Die SdP gewann bei den Gemeindevertreterwahlen im Mai und Juni über 90 Prozent aller deutschen Stimmen, so auch in Braunau. In der Chronik Rosentals heißt es: „Nach ihrem Wahlsieg veranstaltete die SdP am 13. Juni (1938) eine große Volkskundgebung am Braunauer Ringplatz, zu der sich Tausende Frauen, Männer und Kinder aus allen Dörfern eingefunden hatten. Die Redner wurden stürmisch bejubelt und mit dem Hitlergruß bedacht.“ 

Durch den verstärkten Druck aus dem Ausland lenkte die Regierung etwas ein und sorgte dafür, dass es zu keinen weiteren Eskalationen kam. Die englische Regierung entsandte im selben Jahr Lord Runciman, um die Situation der sudetendeutschen Volksgruppe zu prüfen. Zwei Mitglieder seiner Delegation kamen auch nach Braunau und zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der Sudetendeutschen gerechtfertigt seien und seitens der Regierung nicht genug unternommen werde, um die Missstände zu beheben. Runciman verhandelte mit der SdP und der Prager Regierung und erreichte schließlich einen sogenannten „4. Plan“, in dem Präsident Beneš territoriale Autonomie in deutschbesiedelten Gebieten, nationale Proportionalität sowie Gleichstellung der Sprachen zubilligte. Einer scharfen Rede Hitlers auf dem Nürnberger Parteitag folgten Unruhen im Sudetengebiet, der endgültige Abbruch der Verhandlungen zwischen SdP und der ČSR-Regierung und schließlich Henleins Proklamation „Wir wollen heim ins Reich!“ am 15.9. Auch die Braunauer demonstrierten für den Anschluss an das Reich. Am gleichen Abend wurde das Standrecht verhängt und die Ereignisse überstürzten sich. Prag verbot die SdP, Zehntausende flohen nach Deutschland. Am 15.9. reiste der britische Ministerpräsident Chamberlain zu Hitler nach Berchtesgaden. Hitler forderte die Abtretung des Sudetengebietes und Chamberlain übernahm es, diesen Wunsch gegenüber Frankreich und der ČSR zu vertreten. Wenige Tage später stimmte die ČSR der direkten Abtretung des Sudetengebietes ohne Volksabstimmung und bei Gewährung einer internationalen Garantie ihrer neuen Grenzen unter starkem britisch-französischen Druck zu (21.9.). Eine Volksabstimmung wollte Beneš um jeden Preis vermeiden, um keinen Präzedenzfall für die anderen Nationalitäten in der ČSR zu schaffen. Nach dramatischen diplomatischen Aktivitäten kam es zur Konferenz in München am 29./30.9., auf der dann die Modalitäten der Abtretung des Sudetengebietes an das Deutsche Reich mit Großbritannien, Frankreich und Italien geregelt wurden: So wurde das Sudetengebiet schrittweise übergeben und von deutschen Truppen besetzt (1.-10.10.1938) und eine Garantie für das ČSR-Restgebiet in Aussicht gestellt, aber später nicht gegeben.

In Braunau wurde am 17.9. ein Freikorps gebildet, in das viele junge Braunauer eintraten. Nach Rundfunkmeldungen war die Mobilmachung der tschechoslowakischen Armee stündlich zu erwarten und erneut flüchteten viele Braunauer über die nahe Grenze. In den frühen Morgenstunden des 26. September begann auf der Hochfläche zwischen dem Pfarrbusch und der Schönauer Kirche eine wilde Schießerei zwischen tschechischer Grenzwache und Freischärlern. Drei Freischärler wurden getötet, während die anderen flüchteten. Am 1. Oktober fand am Braunauer Ringplatz eine sogenannte Befreiungskundgebung statt. Die Stadt war mit Hakenkreuz- und SdP-Fahnen dekoriert. Ein gewaltiger Fackelzug zum beliebten Gasthaus Stern wurde veranstaltet und viele Flüchtlinge kehrten aus dem Reich zurück. Die meisten tschechischen Beamtenfamilien siedelten noch an diesem Tag nach Innerböhmen über.


 

Als am 5. Oktober Staatspräsident Edvard Beneš abdankte, kehrten die Flüchtlinge allmählich nach Hause zurück. Alle erwarteten nun den Einmarsch der deutschen Truppen, der am 8. Oktober an der Grenze bei Ottendorf erfolgte. Der Regimentskommandeur des Görlitzer Infanterie Regiments 30, Oberst Böttcher, wurde vom Bürgermeister und den Stadträten auf dem Ringplatz begrüßt. Die Grenze nach Schlesien bestand nicht mehr, weshalb die Grenzpfähle abgebaut und erste provisorische Grenzziehungen nach Böhmen errichtet wurden.

Provisorische Grenze

Gestürzter Grenzpfahl an der deutschen Grenze, provisorische Grenzziehung nach Böhmen (Fotos privat)

Der Landkreis Braunau gehörte nun von 1938 bis 1945 zum Deutschen Reich und im Gau Sudetenland zum Regierungsbezirk Aussig an der Elbe. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht im Oktober 1938 setzte eine Belebung der Wirtschaft ein. Unzählige Besucher und Käufer kamen aus dem benachbarten Schlesien, das jetzt ohne Grenze bereist werden konnte. Die Arbeitslosigkeit ging schlagartig zurück. Die Bauern produzierten sehr viel, so dass es auch nach Kriegsbeginn am 1.9.1939 zu keiner Hungersnot wie während des Ersten Weltkrieges kam. Erntehilfsdienste wurden organisiert und auch das Wohnungshilfswerk baute zahlreiche neue Behelfswohnheime, die notwendig wurden, da Familien aus den bombardierten Städten nach Böhmen strömten. Braunau blieb während des Krieges von Luftangriffen verschont. In gewisser Weise ging der Krieg an den daheimgebliebenen Frauen, Kindern und alten Menschen zunächst vorbei. Ferien- und Ausflugsfahrten bis an die Ostsee, nach Wien, Prag, Breslau und Dresden wurden von den Familien, die es sich leisten konnten, gerne unternommen und waren mit dem Zug gut erreichbar. In den späteren Kriegsjahren engagierten sich die Frauen als Lazarettschwestern des Roten Kreuzes, das im Kloster und der Knabenbürgerschule verwundete Soldaten versorgte. Zum Jahresende 1944 und am Beginn des schicksalsschweren Jahres 1945 durchfluteten Flüchtlingstrecks aus Schlesien regelrecht das Braunauer Ländchen. Verzweifelte Menschen stießen bei den Bewohnern auf große Hilfsbereitschaft. 

Nicht für alle Bewohner Braunaus war der Anschluss der Sudetengebiete an das Deutsche Reich 1938 ein Freudentag. Vor dem Einmarsch der Wehrmacht waren führende sudetendeutsche Sozialdemokraten und Kommunisten nach einem vorübergehenden Aufenthalt in der sogenannten „Resttschechoslowakei“ nach England, Kanada und Schweden geflüchtet. Etwa 20.000 wurden in Konzentrationslagern des Dritten Reiches interniert. Das galt auch für die jüdischen Bewohner Braunaus, von denen einige durch die Flucht nach Prag versuchten, ins Ausland zu emigrieren wie z.B. die Familie Winternitz und die Familie Dr. Leo Kohorn. 1930 wurden 60 jüdische Bewohner Braunaus gezählt sowie einzelne Familien in den umliegenden Dörfern. Durch die Eingliederung Braunaus in das Deutsche Reich 1938 wurde die antijüdische Gesetzgebung auch hier wirksam. Jüdische Friedhöfe und Gebetshäuser wurden von den Nationalsozialisten überwiegend zerstört. Etwa 80.000 Menschen, die unter die NS-Rassegesetzgebung fielen, wurden aus dem an das Deutsche Reich angeschlossenen Sudetenland sowie aus dem am 15.3.1939 durch Hitlers Besetzung der „Resttschechei“ errichteten „Reichsprotektorates Böhmen und Mähren“ nach Theresienstadt und von dort in Vernichtungslager deportiert.

Erinnert sei hier an Braunauer Bürger, die Opfer des Holocaust wurden: Adam Grundmann und seine Frau Henriette, Franz und Trude Singer, Georg, Franz und Hedwig Schick, Heinrich Kohorn, den Inhaber der Textilfirma in Ober-Mohren, sowie seine Töchter Liese, Klara und Gertrud, Eduard Cohn und seine Söhne, Anna, Adolf und Dr. Karl Taussig, Caroline Langer, Friederike, Jenny und Dr. Franz Weiss, Julius Klein, Walter, Olga und Susanna Reich, Hedwig Gans sowie Josef Sand. 

Literaturhinweise:

Habel, Fritz Peter: Die Sudetendeutschen. Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat. Bd. 1. München 1992. (Statistiken)

Haase, Baldur: Rosental. Ein Rückblick auf die wechselvolle Geschichte des Dorfes Rosental/Rozmitál im Braunauer Ländchen. Forchheim 2022.

Spitzer, Josef: „Die Jahre 1933-38“, in: Das Braunauer Land. Ein Heimatbuch des Braunauer Ländchens, des Adersbach-Wekelsdorfer und Starkstädter Gebietes. Forchheim 1971, S. 186-197.